Peter Handke, österreichischer Nobelpreisträger der Literatur, schrieb einst eine Art “Betrachtungsroman” mit dem rätselhaften Titel: „Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt“. Scheinbar verstreute Reflexionen zu diesem oder jenem Thema, niedergelegt in diesem oder jenem Sprachformat.
Tatsächlich ist der Information Overflow, der von außen kommt und die Gedankenflut, die von innen aufsteigt, für viele Menschen, die mit dem Internet und anderen Medienwelten zu tun haben, zu einem existenziellen Problem geworden, das beispielsweise massive Konzentrationsschwächen auslösen kann.
Für mich ist es eine tägliche, ja stündliche Herausforderung, die eine Art Quadratur des Kreises erfordert. Du bewegst dich im Netz – dem Lärm der Texte, Bilder, Videos kannst du nicht entgehen, selbst wenn du diszipliniert arbeitest. Und doch braucht es immer wieder Phasen der Stille, sonst versiegt jede Kreativität.
Eine klare Tageseinteilung, einfach abschalten, was anderes tun, will nicht immer gelingen. Denn die Polarität, das Spannungsfeld zwischen öffentlicher Präsenz und innerer Sammlung, Himmel und Erde, ist enorm. Unauflösbar?
In der Mathematik gilt die Quadratur des Kreises als unmöglich. Doch im täglichen Erlebnis- und Erfahrungsraum muss jeder, der heute zwischen zwei Welten lebt, seine eigene Lösung finden. Die Kreativitätsforschung weiß: Ein Problem lässt sich nicht auf derselben Ebene lösen, auf der es entsteht. Ein psychologisches Problem erfordert daher eine Meta-Psychologie – eine höhere Betrachtungsebene.
Wo lässt sich eine solche Domäne finden? Vielleicht in den Evangelien. Dort sehen wir Jesus, wie er über das Wasser geht, während der Sturm tobt. Das Wasser – Sinnbild der Gedankenflut der Menschen. Der Sturm – das Hintergrundrauschen der Welt, der Lärm der Öffentlichkeit. Inmitten dieser Kräfte steht er in seinem Boot (der Arche Noah?) – ruhig, aufrecht, präsent. Mit einem einzigen Befehl stillt er das Toben: „Schweig, verstumme.“
Die grundlegende Lösung heißt also: Schweigen lernen. Doch wo ist das Tutorial dazu?
Der Ort für das Bewusstseinstraining ist das „stille Kämmerlein“, das – wie eine kleine Arche Noah eben, gut verpicht ist gegen die Flut der Bilder, die von außen einströmen wollen und damit auch gut gechützt ist vor Aufgeregtheit der Gedanken, die von innen aufsteigen wollen. Der Bauplan oder die Methode für die Umsetzung dafür findet sich in der Bergpredigt – unscheinbar, aber präzise:
„Wenn du betest, so geh in dein Kämmerlein und schließe die Tür zu“ (Matthäus 6,6; Elberfelder 1905).
Vielleicht hat der feinsinnige Peter Handke genau dieses Spannungsverhältnis literarisch verarbeitet – jene tägliche Quadratur des Kreises, die der Bewusstseinsfluss zwischen der Innenwelt und der Außenwelt der Innenwelt auslöst.