Was in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts noch wie ein Traum erschien, ist heute längst Wirklichkeit geworden: das Informationsuniversum mit seinen unendlich vielen Möglichkeiten und einem Fortschritt, der auf allen Erfahrungsebenen der Menschheit sichtbar wird. Mary Baker Eddy, die womöglich erste Bewusstseinsforscherin auf diesem Planeten, fasste es so zusammen:
„In der materiellen Welt hat der Gedanke mit großer Geschwindigkeit viele nutzbringende Wunder zutage gefördert. Mit gleicher Emsigkeit haben sich die schnellen Schwingen des Gedankens zum Reich des Wirklichen erhoben, zu der geistigen Ursache jener niederen Dinge, die zur Forschung anspornen. (siehe hier)“
Eines dieser kulturtechnischen „Wunder“ ist ganz gewiss das Internet. Heute leben wir in einer Zeit, in der ein beispielloser Informationsaustausch stattfindet oder stattfinden kann. Viele Menschen nutzen die revolutionären Möglichkeiten dieses Mediums jedoch noch nicht ernsthaft. Prinzipiell ist jeder Mensch mit jedem anderen Menschen auf diesem Planeten vernetzbar. Ohne weiteres lassen sich beispielsweise auf dem Gebiet der Wissenschaft Ad-hoc-Forschungsgruppen bilden, die sich für bestimmte Forschungsfragen spontan zusammentun können. Der Dialog findet dabei in „Echtzeit“ statt, muss aber nicht auf die unmittelbare Gegenwart beschränkt bleiben. Ebenso kann der Gedanken- und Ideenaustausch über Generationen hinweg neu belebt werden. Ein jüngstes Beispiel ist mir diese Woche „geschehen“, als ich im Internet auf den Blog eines gewissen, recht unkonventionellen Noah Berlatsky stieß. Vor einem Jahr schrieb er für das renommierte Online-Journal „The Revealer“ einen langen Artikel zu einem Thema, das in mancherlei Hinsicht Verborgenes zutage förderte. Der leicht gendermäßig angehauchte Untertitel lautet: „Why did so many American Jewish women find Christian Science appealing?” Zu Deutsch etwa: Warum war die Christliche Wissenschaft für viele amerikanisch-jüdische Frauen so attraktiv? Es folgt eine liebevoll und dennoch wohltuend neutral geschriebene Kurzform einer Familiensaga, die den Weg vieler osteuropäischer US-Einwanderer nachzeichnet, die mit der sich damals rasend schnell ausbreitenden Christlichen Wissenschaft in Berührung kamen. Und mehr noch: Man war so fasziniert von dieser als revolutionär empfundenen Lehre, dass eine jüdische Adaption davon entstand, die versuchte, die Spiritualität der Christlichen Wissenschaft in das jüdische Gedankengut zu übertragen. Noah Berlatsky zitiert die amerikanische Forscherin Ellen M. Umansky, die zu diesem Thema umfassend recherchiert hat. Bis heute gibt es diese „Sonderbewegung“, die ursprünglich christlich-wissenschaftliches Ideengut mit jüdischer Tradition verbindet.
„Wer interessiert sich schon dafür?“, könnte man fragen. Ich schon, denn das Überblenden zweier Kulturen gebiert immer etwas Neues, und speziell in diesem Fall steckt enormes Potenzial. Bei meiner Forschungsarbeit zur sogenannten „Bergpredigt“ wurde ich beispielsweise viel eher von jüdischer als von christlicher Theologie inspiriert. Ein Forscher wie Pinchas Lapide ist meines Erachtens substantieller an die Urlehre nicht nur des Christentums herangegangen als viele seiner christlich-theologischen Kollegen. Überhaupt ist die Bergpredigt für mich so etwas wie ein spiritueller Brennpunkt, in dem sich die vielen über den Planeten verstreuten, geistig ambitionierten Bewegungen wiederfinden können.
Ich habe jedenfalls schon einmal Kontakt mit Noah Berlatsky aufgenommen und seinen Newsletter abonniert. In der Erstausgabe des neuen Online Journal “Geist und Wissenschaft – Blueprints for Life” gehe ich auf das Thema näher ein wie auch auf das “Glaubensgespräch” (Stuttgart 1980), das Pinchas Lapide mit Carl Friedrich von Weizsäcker geführt hat. Auch ein Dialog, aber eben über “Geist und Wissenschaft”.