In der Podcast-Folge 215 (@ZDFheute, 17. Oktober 2025) spricht Richard David Precht mit Markus Lanz über die „metaphysische Obdachlosigkeit” unserer Zeit – ein Symptom, wie er sagt, eines übersteigerten Individualismus. O-Ton Precht: „Anstelle der Religion produzieren wir Bilder – und an erster Stelle Bilder von uns selbst.“
Und weiter: „Wir haben aus der bedingungslosen Liebe zu Gott die bedingungslose Liebe zu uns selbst gemacht.“
Eine präzise Diagnose des heutigen Ego-Problems, verabreicht mit einer Prise des ihm eigenen Sarkasmus. Aber Precht muss es wissen: Mit seinem Erstlingswerk “Wer bin ich – und wenn ja, wie viele” wurde er zu einem der meistgelesenen Philosophen deutscher Sprache – und zu einem, der es geschafft hat, die Philosophie aus dem Elfenbeinturm in das Feuilleton des öffentlichen Diskurses zu befördern.
Interessant jedoch ist auch, was fehlt: Trotz der inhaltlichen Nähe zum Thema selbstreferentielle Identität greift Precht meines Wissens nach nirgends die mosaische Selbstoffenbarung – „Ich bin, der Ich bin“ (2 Mose 3,14) – als erkenntnisontologischen Bezugspunkt auf, obwohl sie sich geradezu aufdrängt.
Diese Leerstelle bezeichnet dann auch die Grenze zwischen den Thesen der anthropologisch-philosophischen Selbstreflexion und einer ontologisch basierten Bewusstseinslehre, wie sie beispielsweise in der sogenannten “Bergpredigt” längst präkonfiguriert ist, wenn auch verborgen im biblischen Idiom.